Leider zeigt sich in meiner Beratung immer wieder das Thema der “Hochstrittigkeit”.
Lasst uns mal einen Blick auf die Konflikte nach Trennung und Scheidung werfen.
Dabei tauchen diese Fragen auf:
● Was bedeuten diese Situationen für unsere Kinder und vor allem für uns
als „umgangsberechtigtes Elternteile?“
● Wie können wir uns und unsere Kinder schützen?
● Wie sollen wir mit der neuen Situation umgehen?
Eins sei hier vorangestellt. Alle Elternteile, die mich in der Beratung
kontaktieren, haben einen Konflikt mit dem anderen Elternteil. Egal was
vorgefallen ist, aber man hat sich ja entschieden die Ehe oder Partnerschaft zu
beenden und in Zukunft getrennte Wege zu gehen. Trennungen kommen in der
Regel nicht zustanden, weil man gut miteinander auskam.
Wenn man nicht durch eine gemeinsame Elternschaft verbunden wäre, gelingt
diese Trennung recht einfach. Nach Aufteilen der gemeinsamen Güter löscht man
die Kontaktdaten der Ex-Partnerin/ des Ex-Partners und geht seiner Wege.
Ganz anders sieht das natürlich aus, wenn man als Eltern weiter verbunden ist
und dies auch noch viele Jahre sein wird. Nach wie vor muss man mit dem
Menschen der einen ggf. schwer verletzt, sein Vertrauen missbraucht oder
einfach “nur” das gemeinsame Leben zerstört hat auskommen. Damit nicht
genug, man muss auch noch Kompromisse schließen, gemeinsame Lösungen
finden und diese dann auch leben und umsetzen.
Leider zeigt sich hier immer die Gefahr der Hochstrittigkeit, einem Wort, dass
der Duden so gar nicht kennt. Aus meiner Sicht hat diese “Hochstrittigkeit” ihren
Ursprung im Machtungleichgewicht zwischen betreuenden und
umgangsberechtigten Elternteilen. An dieser Stelle möchte ich gar nicht auf
etwaige psychische Probleme des Elternteils eingehen. Diese könnten natürlich
auch immer vorliegen aber sind eben sowenig von uns Umgangsberechtigten zu
beeinflussen wie das Machtungleichgewicht. Heute geht es darum, wie man als
Umgangsberechtigter mit dieser “Hochstrittigkeit” umhehen soll. Wie reagiere ich
auf ein Elternteil, dass sich nicht an Absprachen hält, eigne Regeln aufstellt,
Umgänge vorschreibt oder bestimmt, wann sie ausfallen und ggf. wenn
überhaupt nachzuholen sind. Einfach das eigene Leben diktiert, stets mit dem
„Druckmittel Kind.“
Die simple Strategie der Hochstrittigkeit ist ja für den betreuenden Elternteil oft,
„je weniger ich kooperiere, desto mehr kann ich meine Vorstellungen
durchdrücken. Als Sahnehäubchen kann ich den verhassten
umgangsberechtigten Elternteil an der Nase durch die Manege führen und ihm
das Kind als Möhre vor eben dieser Nase als unerreichbare Belohnung halten.“
Jeder kennt das bekannte Bild mit dem Esel und der Möhre vor der Nase. Viele
werden den Satz kennen:” wenn Du nicht..., dann siehst Du das Kind nicht…”
Aber wie umgehen mit einer solchen Situation? Um gleich mit Illusionen
aufzuräumen, die Möglichkeiten sind recht beschränkt und haben ihren Ansatz
genau auf der anderen Seite. Aus meiner Erfahrung bringt es nichts das andere
Elternteil verändern zu wollen. Wenn dieser nicht kooperieren will und mit allen
Mitteln die Kommunikation verweigert, wird man nur die Möglichkeit haben sich
auf sich selbst zu besinnen. Je klarer und gefestigter man in sich ruht, desto
leichter wird es sein das zu ertragen, was man einfach nicht ändern kann.
Ich spreche hier von dem Stadium, wo es einfach nicht gelungen ist durch
externe Hilfen wie Beratungsstellen, dem Jugendamt oder auch Mediatoren eine
Elternebene herzustellen. Natürlich muss man im Vorfeld individuell überlegen,
ob nicht auch mal ein gerichtliches Verfahren erforderlich ist, um das andere
Elternteil in die Kooperation zu bringen. Hierbei ist natürlich immer zu überlegen,
welche Kämpfe man mit dem anderen Elternteil austragen will oder muss. Wie
gesagt, man muss sich nicht alles gefallen lassen und manchmal bleibt wirklich
nur den Gang vor das Gericht, um als Elternteil seine Haltung auszudrücken.
Strategisch wird bei einem fortgeschrittenen oder mittleren Stadium der
“Hochstrittigkeit” nur die klare Regelung durch ein Gericht und das Leben klarer
Umgangsstrukturen übrig bleiben. Die größere Aufgabe ist die
Auseinandersetzung mit sich selbst und die Akzeptanz, dass man viel vom Leben
des Kindes für den Moment nicht mitbekommen wird.
Zum Schutz des Kindes sollte man die Spirale der ewigen Auseinandersetzungen
irgendwann verlassen. Natürlich sollte man weiterhin so präsent wie möglich für
das Kind da sein, aber eben die Auseinandersetzungen mit dem anderen
Elternteil sein lassen. Bei diesen Auseinandersetzungen werden die Kinderseelen
zermahlen, die man nicht mehr heilen kann.
Ich sehe beim Schreiben dieser Zeilen dass Unverständnis in Euren Augen. Soll
man einfach aufgeben und das andere Elternteil gewähren lassen? Aus meiner
Sicht ist genau das manchmal das Richtige, die Fehler oder sagen wir besser
falschen Entscheidungen oder Situationen, die einen bis hierher getrieben haben
sind oft schon zu lange her. Oft sind diese nicht mehr zu korrigieren, und sei es
der Fehler das zwei Menschen, die einfach nicht zueinander passen, ein Kind
zusammen haben und zusammen als Eltern harmonieren sollen, was sie dann
natürlich auch nicht werden.
Wer jedoch noch am Anfang steht, direkt nach einer Trennung, ist aus meiner
Sicht gut beraten so schnell wie möglich für sich die Paarebene zu klären. All die
Wut, Enttäuschung, Verzweiflung und Verletzungen zu reflektieren und für sich
einen Weg zu finden diese zu verarbeiten. Es bleibt die Elternebene, die es zu
pflegen gilt. Ruhig, besonnen und immer mit Blick auf das Kind und auf sich
selbst als starkes Elternteil.
Abschließend bleibt heute eine bittere Erkenntnis zurück. Es gibt
Familienkonstellationen, die es einfach nicht schaffen werden, eine Elternschaft
auf Augenhöhe herzustellen. Es endet in einer Streitigkeit, die im heutigen
System einfach nicht gelöst werden kann, da die Instrumente, die zwar bekannt
sind, einfach nicht eingesetzt werden.
Ich selbst konnte in meiner eigenen Konstellation kein Wechselmodell und auch
keine Elternschaft auf Augenhöhe erreichen. Ich hatte letztlich die Wahl
zwischen totalem Verlust oder der Elternschaft die mit den beteiligten Eltern
möglich ist zu leben. Ich habe mich für zweiteres entschieden, dass bedeutet,
das ich nach wie vor kein gutes Verhältnis zu meiner Ex-Frau habe und wir auch
nur über wesentliche Kindesangelegenheiten reden können. Wenn es etwas
Kinds-spezifisches gibt, reden wir, sonst haben wir uns nicht viel zu sagen.
Damit konnte ich den minimalen Rest meiner Elternschaft erhalten.
Oft werde ich gefragt, ob ich damit zufrieden sei, wie es gelaufen ist? Das bin ich
natürlich nicht, ich hätte mir sehr gewünscht in einem Wechselmodell Teil des
Alltags meines ältesten Kindes zu sein und auch mit der Mutter eine Basis zu
finden, dass wir als Eltern auf Augenhöhe unser Kind begleiten können. Dies war
leider mit uns als Eltern nicht möglich. Diese Realität muss ich, die Mutter
meiner Tochter und natürlich meine Tochter selbst akzeptieren und damit
werden wir drei leben müssen. Schuldzuweisungen nutzen an dieser Stelle nichts
mehr, da es leider so gekommen ist, wie es ist.
Heute kann ich nur jedem raten, der sich in der Rolle des Umgangsberechtigten
wiederfindet, sich einer Gruppe anzuschließen und sich immer und immer wieder
selbst zu reflektieren. Die Strategie und den Prozess immer wieder zu
hinterfragen und sich immer und immer wieder neu aufzustellen, den Blick auf
das Kind zu schärfen und sich selbst nicht zu vergessen.
Egal was am Ende herauskommt, es gibt immer einen Weg, den wir als Eltern
gehen und auch wenn es sich nicht so entwickelt, wie wir es uns gewünscht
haben, kann es ein guter Weg für unsere Kinder und dann auch für uns werden.
von
Stephan Gutte
Vater Rat
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